
Unser Schulsystem versucht, alle Schüler gleich zu behandeln – nach anscheinend objektiven Maßstäben werden Noten vergeben. Kinder aus bildungsnahen und -fernen Elternhäuser sowie Mädchen und Jungen sollen gleiche Bildungschancen haben. Aber ist das wirklich so?
In diesem Artikel betrachte ich nur die Geschlechter:
Jungen und Mädchen unterscheiden sich im Aussehen.
Sie unterscheiden sich allerdings auch ganz klar in vielen anderen Bereichen, beispielsweise in ihren Interessen oder in ihrer Herangehensweise – und eben auch im Lernen.
Vera F. Birkenbihl betont in ihrem Buch „Jungen und Mädchen: Wie sie lernen“, dass es zwar nicht 100 % männlich oder 100 % weiblich gibt, dafür aber klare Tendenzen.
Lernfenster können bei Kindern mehr als 5 Jahre differieren!
Maria Montessori und Alfred Binet stellten schon Anfang des 20. Jahrhunderts fest, dass der Altersunterschied für bestimmte Fähigkeiten bei Kindern plus/minus 2 Jahre beträgt (manchmal sogar 3,5 Jahre).
Das bedeutet, wenn Kinder mit 7 Jahren eine Fähigkeit beherrschen sollen, erwerben manche Kinder diese
- genau im Alter von 7 Jahre,
- manche bereits mit 5,
- andere dagegen mit 8 oder 9 Jahren.
Obwohl die Erkenntnisse über diese unterschiedlichen Lernfenster schon über 100 Jahre alt sind, werden Spiele, Filme und auch Fertigkeiten und Einschulungen nach bestimmten Altern eingeteilt.

1. Warum haben Jungen einen stärkeren Bewegungsdrang als Mädchen?
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Entwicklung der Grobmotorik und Feinmotorik bei Jungen und Mädchen anders verläuft:
Zur Grobmotorik zählt der Bewegungsdrang, Hand-Auge-Koordinationen oder auch Kraft, zur Feinmotorik gehört unter anderen die Fingerfertigkeit, Balance, Grazie und Flüssigkeit.
Jungen entwickeln vor der Pubertät die Grobmotorik danach die Feinmotorik – bei Mädchen ist es genau umgekehrt.
Jungen | Mädchen |
Grobmotorik | Feinmotorik |
Pubertät | |
Feinmotorik | Grobmotorik |
Ermöglicht die Feinmotorik den Mädchen z. B. das Schönschreiben, entwickeln Jungen diese Fähigkeit erst nach der Pubertät.
Diane McGuiness stellte hierzu folgende Hypothese auf:
Jungen entwickeln (mit 40 % der Körpermasse) fast die doppelte Muskelmasse (Mädchen 24 %), also müssen sie fast doppelt so viele notwendige Nervenbahnen im Gehirn anlegen, damit diese Muskeln bewusst bewegt werden können. Später müssen mehr Lungenvolumen und weit mehr rote Blutkörperchen angelegt werden, um eine optimale Sauerstoffaufnahme bei Bewegung zu haben. Jungen haben auch in der Regel ein größeres Herz – es schlägt langsamer.
Genau diese Entwicklung geschieht schon im Mutterleib und setzt sich gleich nach der Geburt fort. Denn nicht benutzte Muskeln schrumpfen sofort!
Folglich brauchen Jungen viele Jahre, um die Extra-Masse „anzubauen“ und ins System „einzupflegen“.
Experten haben auch herausgefunden, dass Mädchen neurologisch reifer geboren werden, also haben sie zum Zeitpunkt der Geburt bereits mehr Nervenbahnen für die Muskelarbeit angelegt und benötigen dazu noch weniger, daher hat die Natur die Entwicklung der Grobmotorik nach der Pubertät verlagert.
Die Entwicklung des grobmotorischen Bereichs geht mit viel Bewegung einher. Je mehr Muskelmasse zu bewegen ist, desto ausgeprägter gilt dies.
Wird diese ständige Bewegung verhindert, resultieren daraus auch geistige Behinderung.
(Burschikose Mädchen mit mehr Muskelmasse müssen sich mehr bewegen als sehr „mädchenhafte“ Mädchen, bei Jungen gibt es natürlich auch Unterschiede).
Daher ist es so wichtig: Ein junger Mensch sollte seinen Bewegungsdrang ausleben dürfen!
Genau diesen Bewegungsdrang verhindert unser modernes System:
- Im Klassenzimmer sollen Kinder stundenlang ruhig sitzen.
- Zu Hause sitzen sie in zunehmendem Maße vor Fernseher und PC oder Spielekonsole
- Im Restaurant oder Supermarkt usw. dürfen sie auch nicht laufen!
- Spielplätze gibt es wenig und wenn, oft nur über große gefährliche Straßen zu erreichen.
Jungen spielen „wilde“ Spiele, weil sie sich bewegen müssen, von Fangen, Laufwettkämpfen bis zu Ballspielen aller Art.
Wir sollten nachdenken, warum jedes Jahr mehr Kinder (weitgehend Jungen) in Sonderschulen ausge-SONDER-t werden bzw. die Chemo-Keule z. B. Ritalin verwendet wird, um sie ruhig zu stellen.
80 % aller Kinder mit akuten Lernproblemen sind Jungen: Sind Jungs wirklich lernbehindert?

2. Sind Mädchen bei der Geburt schon reifer als Jungen?
Ungeborene Mädchen schlafen mehr als 50 % mehr und sind daher neurologisch reifer, während ungeborene Jungen hingegen etwas mehr als 50 % der Zeit wach sind und ihre Muskelmasse trainieren.
Im 1. Lebensjahr setzt sich dies fort. In der Regel schlafen Jungen schwerer ein, nicht so gut durch und insgesamt weit weniger als Mädchen, so dass diese ihren neurologischen Vorsprung vergrößern.
3. Wahrnehmungsstile: Hören Mädchen mehr als Jungen?
Mittlerweile ist auch wissenschaftlich belegt, dass Jungen und Männer die Welt viel intensiver mit den Augen wahrnehmen, die Mädchen mehr mit den Ohren – Mädchen hören in der Regel gerne zu!
In der Schule/Frontalunterricht sind daher die Mädchen im klaren Vorteil, Jungs können sich nicht so lange konzentrieren – da Zuhören für sie wesentlich anstrengender ist!
Daraus folgt, dass in der Schule die Jungs gezwungen werden, still zu sitzen, obwohl sie sich bewegen müssten. Zusätzlich werden sie noch zugequatscht, was männliche Hirne einfach nicht mögen.
4. Denken und handeln Jungen anders als Mädchen?
Zahlreiche Studien weisen nach:
Die meisten Jungen probieren aus – wollen die Welt durch Handeln begreifen, experimentieren sofort;
Mädchen hingegen wollen oft zuerst wissen, worum es geht, bevor sie handeln! Daher haben die meisten Mädchen in der Schule einen Vorteil.
Weibliche Hirne lieben Anweisungen (Rezeptbücher stehen hoch im Kurs, Gebrauchsanleitungen). Wenn sie wissen, worum es geht und was man tun soll, dann beginnen sie zu handeln.
Jungen befolgen selten Anweisungen/Regeln, weil sie von Anfang an alles ausprobieren wollen.
2. Überkreuz-Entwicklung
Jungen | Mädchen |
Handeln | Denken |
Denken | Handeln |
5. Selbstwertgefühl durch Leistung oder Anerkennung?
Selbstwertgefühl beziehen Männer aus der Anerkennung in einer Gruppe (Mann als Gruppenwesen: Kooperation & Rivalität)
Evtl. darf ein Schüler gar nicht besser werden, weil er sonst beispielsweise aus dem „Schlechtleser-Club“ fallen würde oder als „Streber“ die Achtung seiner Kameraden verlieren würde. ( Die Angst vor Ablehnung in einer Gruppe ist oft größer als der Wunsch besser zu werden!)
Mädchen sind Individuen, bauen einzelne Beziehungen zu anderen Einzelnen auf und koordinieren sich in kleinen Grüppchen. Mädchen suchen sich eine einzelne Person heraus und wollen so sein wie diese (-> Ziel und Ausrichtung), Jungen hingegen übernehmen Ziele eher von außen (-> zielloser).
Mädchen wollen ihr Bestes geben, gute Leistungen steigern das Selbstwertgefühl, schlechte Noten lässt sie leiden. Jungen machen sich eher über schlechte Noten lustig, wenn sie in einer Gruppe integriert sind, die guten Noten als „doof“ oder „Weiberkram“ ablehnen!
Selbst-Wert-Gefühl: Lob und Tadel - 3. Überkreuz-Entwicklung:
Jungen | Mädchen | |
Lob | Leistung | Brav sein |
Tadel | Brav sein | Leistung |
Hier scheinen Klischees zu greifen:
Jungen werden weit häufiger für ihre Leistung gelobt, auch wenn diese objektiv schlechter ist als die von Mädchen. Mädchen hingegen werden seltener für Leistung gelobt, sondern eher für „brav“ sein. (Betragen, Fleiß, Pünktlichkeit, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit = Wesenszüge)
Jungen bekommen z. B. beim Vorlesen 5 Mal mehr Zeit als Mädchen.

Fazit:
Ja, Jungen lernen anders als Mädchen!
Aus diesem Grund sollte unser Bildungssystem endlich diesen Erkenntnissen Rechnung tragen und unsere männlichen Schüler nicht weiter benachteiligen!
Quelle: Vera F. Birkenbihl: Buch „Jungen und Mädchen: Wie sie lernen“